Archiv für den Monat: März 2019

Von Frust und Vollkommenheit

Irgendwann im Frühjahr 2018

Ich sitze in der Sporthalle und beobachte frustriert das laufende Training. Vor wenigen Jahren habe ich wieder begonnen aktiv Sport zu treiben, habe monatelag heftigen Muskelkater nach jedem Training in Kauf genommen und mich über jeden kleinen körperlichen und sportlichen Fortschritt gefreut. Ich habe gelernt und trainiert, Prüfungen abgelegt und Ausbildungen absolviert, an die ich vor 5 Jahren nicht im Traum gedacht hätte.

Und dann begann vor einem Jahr mein Trainingsloch. Zwar habe ich regelmäßig selber Training gehalten, aber aus verschiedensten Gründen selber immer unregelmäßiger trainiert. Jetzt bekomme ich die Quittung dafür. Vieles habe ich vergessen, muss es wieder aktivieren, körperlich fühle ich mich nicht mehr fit, kann mit denen, die früher gemeinsam mit mir trainiert haben nicht mehr mithalten und ertappe mich bei der Idee, dass ich keine Lust mehr habe, wieder von vorne anzufangen. Was andere scheinbar so aus dem Ärmel schütteln, muss ich mir erarbeiten und verstehen, bevor ich lernen kann, es umzusetzen. Ich schiebe Frust, fühle mich schlecht in dem, was ich tue und wie ich es tue, schäme mich dafür und überlege hinzuschmeißen, vielleicht ein anderes Hobby, einen anderen Sport zu suchen.

Auf dem Rückweg vom Training sitze ich im Auto, und endlich laufen die Tränen. Tränen der Verzweiflung, Frusttränen, Tränen der Erschöpfung und der Ratlosigkeit, alles auf einmal, und mir wird auf einen Schlag klar, dass diese Tränen bei weitem nicht nur meiner Gefühlslage während des Trainings entstammen, sondern ihren Kern darin haben, dass ich mich noch nie zuvor in meinem Leben so unvollkommen in allem gefühlt habe, was mich und mein Leben ausmacht. Ganz plötzlich ist da der Gedanke, dass ich weder beruflich, noch familiär, noch in Freundschaften und Beziehungen und auch nicht sportlich das Potential lebe, das ich glaube zu haben und gerne leben würde. Mein ganz normaler Alltag, die vielen Themen mit unseren Kindern, gesundheitlich oder schulisch, kosten Kraft, Zeit und Energie, erschöpfen mich immer wieder und lassen wenig Raum für Träume und deren Realisierung. Ich fühle mich eingeengt und beschnitten in der Möglichkeit mich und meine Potentiale zu leben und bin frustriert.

Am liebsten würde ich hinschmeißen, ohne zu wissen, was ich hinschmeißen könnte oder würde.

Am liebsten würde mich aus der Affäre ziehen und irgendwie, irgendwo ganz für mich nochmal anfangen. Aber womit?

Vermutlich würde ich egal wo und wann und egal auch in welchem Bereich nach einem Neuanfang wieder nach dem streben, nach dem ich mich so sehr sehne, nach dem Gefühl von Vollkommenheit. Nach dem Gefühl, ganz zu sein, nach dem Gefühl eins zu sein.

-„Das Vollkommene ist ein „Volles“, eine Fülle möglicher Anteile, zu der kein weiterer Anteil mehr fehlt.“, Wikipedia-

Ich würde also vermutlich immer wieder in Situationen wie dieser landen, frustriert, weil ich mich so unvollkommen fühle, so als würden wichtige Teile von mir fehlen. Damit ist die Idee eines Neuanfangs obsolet und eine genauere Analyse der aktuellen Situation angebracht.

Meinen Klienten würde ich in solchen Phasen raten, ihre Aufmerksamkeit bewusst auf all das zu richten, was sie zufrieden macht, was ihnen gut tut, wo und wann sie sich vollkommen und ganz fühlen. Und sie würden solche Dinge und Situationen in ihrem Leben finden, so wie ich, wenn ich mir erlaube, in diese Richtung zu denken.

Mir ist klar, dass wir als Familie so viel geschafft und erschaffen haben in den letzten Jahren und damit viele Veränderungen und Denkansätze in unser Umfeld gebracht haben, in einer Form, die vollkommener kaum sein kann.

Auf vollkommene Weise folgen wir unserem Weg durch dieses Leben, leben jeder für sich und alle gemeinsam unseren Seelenplan, bieten Denkanstöße und erschaffen Heilung und neue Perspektiven. In vollkommener Weise ergeben sich die Situationen, die unserem Wachstum und der Veränderung dienen. Scheinbar zufällig fällt ein Puzzleteil neben das andere und gemeinsam ergeben sie ein immer klareres Bild. Allein mein Werdegang von der Geburt bis heute könnte perfekter nicht sein für das, was ich hier als meine Aufgabe betrachte.

Mein Alltag ist seit Jahren meine Schulung und meine Fortbildung. Wo andere Entspannung und Erholung finden, lerne ich. Meine Erholung finde ich während Seminaren und Fortbildungen fern von meinem Alltag 😉

Jeder Schritt, den ich bisher gegangen bin, führte zu einem wichtigen weiteren Schritt, und so folgen die Schritte vollkommen aufeinander, in der richtigen Reihenfolge und auch im richtigen Abstand, um eine bestmögliche Entwicklung zu ermöglichen.

Es ist alles da, es läuft alles nach Plan. Es strebt alles nach Vollkommenheit. Und die Idee, genau dieser so fern zu sein, bedeutet zum einen ein tieferes Gespür für die aktuelle Situation und zum anderen das Bevorstehen eines nächsten wichtigen Schrittes. Und so treffe ich hiermit die Entscheidung, meine Vollkommenheit in diesem Leben zu leben!