Mama muss zur Schule oder was Erziehung mit dem Entschärfen von Bomben zu tun hat

Freitagmorgen, 6 Uhr. Der Wecker klingelt gefühlt viel zu früh. Die Woche war anstrengend, emotionale Achterbahn aus den unterschiedlichsten Gründen. Ich bin müde, würde gerne einfach weiter schlafen, aber das geht nicht. Morgens bin ich das Zugpferd der Familie, die Erste die aufsteht und damit den täglichen Kreislauf in Gang setzt. Und außerdem muss auch ich zur Schule, habe Unterricht zur ersten Stunden.

Der Ablauf für heute Morgen ist klar besprochen. Ein Kind werde ich zur Schule fahren, bevor ich selber gehe. Die beiden anderen gehen alleine zur Schule. Ich starte meine Morgenroutine, freue mich, dass das erste Kind recht leicht aus dem Bett kommt. Dann die Nachricht: „Mama, ich habe da zwei Nummern vergessen zu machen.“ Ich schnaufe tief, eine kleine rote Warnlampe blinkt hektisch in meinem Kopf. Mein Gehirn spielt blitzschnell alle erdenklichen Szenarien durch, von der früher üblichen Strafpredigt über das rechtzeitige Erledigen der Hausaufgaben über die zeitliche Verzögerung, die durch diese Aufgaben jetzt entsteht. Mein Hirn reorganisiert blitzschnell den Morgenablauf und meine Mund antwortet erstaunlich gelassen: „Dann mach sie doch schnell jetzt.“  Und völlig problemlos schnappt sich besagtes Kind die Hefte und erledigt höchst konzentriert die fehlenden Hausaufgaben. Zeitlich wird es gehen. Ganz ehrlich, ich bin ziemlich stolz auf mich, denn vor noch nicht allzu langer Zeit hätte mich diese Situation in gefühlte Panik und Hektik versetzt, und weder das Kind noch ich hätten an einem solchen Morgen viel auf die Reihe gebracht.

15 Minuten später hat Kind eins die fehlenden Hausaufgaben erledigt, schiebt sich sein Frühstück noch schnell in den Mund und stößt im Bad auf Kind zwei, das sich mit einiger Mühe viel zu spät aus dem Bett gequält hat. Nun will auch Kind zwei aus nachvollziehbaren Gründen von mir  mit zum Bahnhof genommen werden.  Ich schaue auf die Uhr, bleibe ruhig, schnaufe tief und plane den schnellsten Weg von hier über Schule und Bahnhof bis zu meiner Schule. Auch als beide Kinder gleichzeitig den Föhn brauchen, und ich schon abmarschbereit bin, äußere ich nur kurz: „Ich will pünktlich in die Schule“. Ein verständiges „Ja, ich weiß.“ kommt mir entgegen, und ich bleibe ruhig, helfe zu organisieren und hole noch schnell eine Kinderjacke aus dem Kinderzimmer. Dies kann ich vor lauter frisch produziertem Chaos auf dem Boden kaum betreten, aber ich atme tief und bleibe ruhig. Diese Baustelle muss bis später warten. Es gelingt mir, beide Kinder in guter Stimmung pünktlich abzuliefern. Alles Weitere klären wir später.

Alleine im Auto wird mir langsam bewusst, wie viel Potential für Stress und Streit diese kurze Zeit nach dem Aufstehen in sich trug, und wie friedlich und zielführend wir damit umgehen konnten. Was mich vor einiger Zeit noch in Stress, Aufregung und Hektik versetzt hätte, kann ich inzwischen ruhiger und überlegter angehen. Meine dicken roten Knöpfe, die meine Kinder immer noch gerne drücken, führen jetzt nicht mehr zu inneren und äußeren Explosionen, sondern zu bewussteren und viel angemesseneren Reaktionen. Die Knöpfe sind noch da, aber die Bomben dahinter, die habe ich entschärft! Und so komme auch ich (fast) pünktlich vor Beginn der Stunde in meine Schule und stehe recht gelöst vor meiner etwas müden Klasse, die sich auch schon auf das Wochenende freut.

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