Archiv für den Monat: Dezember 2016

Mama muss zur Schule oder was Erziehung mit dem Entschärfen von Bomben zu tun hat

Freitagmorgen, 6 Uhr. Der Wecker klingelt gefühlt viel zu früh. Die Woche war anstrengend, emotionale Achterbahn aus den unterschiedlichsten Gründen. Ich bin müde, würde gerne einfach weiter schlafen, aber das geht nicht. Morgens bin ich das Zugpferd der Familie, die Erste die aufsteht und damit den täglichen Kreislauf in Gang setzt. Und außerdem muss auch ich zur Schule, habe Unterricht zur ersten Stunden.

Der Ablauf für heute Morgen ist klar besprochen. Ein Kind werde ich zur Schule fahren, bevor ich selber gehe. Die beiden anderen gehen alleine zur Schule. Ich starte meine Morgenroutine, freue mich, dass das erste Kind recht leicht aus dem Bett kommt. Dann die Nachricht: „Mama, ich habe da zwei Nummern vergessen zu machen.“ Ich schnaufe tief, eine kleine rote Warnlampe blinkt hektisch in meinem Kopf. Mein Gehirn spielt blitzschnell alle erdenklichen Szenarien durch, von der früher üblichen Strafpredigt über das rechtzeitige Erledigen der Hausaufgaben über die zeitliche Verzögerung, die durch diese Aufgaben jetzt entsteht. Mein Hirn reorganisiert blitzschnell den Morgenablauf und meine Mund antwortet erstaunlich gelassen: „Dann mach sie doch schnell jetzt.“  Und völlig problemlos schnappt sich besagtes Kind die Hefte und erledigt höchst konzentriert die fehlenden Hausaufgaben. Zeitlich wird es gehen. Ganz ehrlich, ich bin ziemlich stolz auf mich, denn vor noch nicht allzu langer Zeit hätte mich diese Situation in gefühlte Panik und Hektik versetzt, und weder das Kind noch ich hätten an einem solchen Morgen viel auf die Reihe gebracht.

15 Minuten später hat Kind eins die fehlenden Hausaufgaben erledigt, schiebt sich sein Frühstück noch schnell in den Mund und stößt im Bad auf Kind zwei, das sich mit einiger Mühe viel zu spät aus dem Bett gequält hat. Nun will auch Kind zwei aus nachvollziehbaren Gründen von mir  mit zum Bahnhof genommen werden.  Ich schaue auf die Uhr, bleibe ruhig, schnaufe tief und plane den schnellsten Weg von hier über Schule und Bahnhof bis zu meiner Schule. Auch als beide Kinder gleichzeitig den Föhn brauchen, und ich schon abmarschbereit bin, äußere ich nur kurz: „Ich will pünktlich in die Schule“. Ein verständiges „Ja, ich weiß.“ kommt mir entgegen, und ich bleibe ruhig, helfe zu organisieren und hole noch schnell eine Kinderjacke aus dem Kinderzimmer. Dies kann ich vor lauter frisch produziertem Chaos auf dem Boden kaum betreten, aber ich atme tief und bleibe ruhig. Diese Baustelle muss bis später warten. Es gelingt mir, beide Kinder in guter Stimmung pünktlich abzuliefern. Alles Weitere klären wir später.

Alleine im Auto wird mir langsam bewusst, wie viel Potential für Stress und Streit diese kurze Zeit nach dem Aufstehen in sich trug, und wie friedlich und zielführend wir damit umgehen konnten. Was mich vor einiger Zeit noch in Stress, Aufregung und Hektik versetzt hätte, kann ich inzwischen ruhiger und überlegter angehen. Meine dicken roten Knöpfe, die meine Kinder immer noch gerne drücken, führen jetzt nicht mehr zu inneren und äußeren Explosionen, sondern zu bewussteren und viel angemesseneren Reaktionen. Die Knöpfe sind noch da, aber die Bomben dahinter, die habe ich entschärft! Und so komme auch ich (fast) pünktlich vor Beginn der Stunde in meine Schule und stehe recht gelöst vor meiner etwas müden Klasse, die sich auch schon auf das Wochenende freut.

Sei achtsam mit Dir und mir.

fotolia_78480101_subscription_monthly_m_mit-herkunft_ausschnittMit achtsamer Kommunikation zu einem wertschätzenderen Miteinander in Familie, Schule und Kindertagesstätte.

Ein vierteiliger Kurs für Eltern, Lehrer und Erzieher.

Die Idee:

Egal wie wir es machen, ob genauso wie die Generationen vor uns oder ganz bewusst anders, in stressigen Situationen verfallen wohl die meisten Eltern, Lehrer und Erzieher in altbekannte Muster. Häufig erzeugen wir dadurch viel Frust, noch mehr Stress und entfernen uns weit von unserer Idee eines wertschätzenden und kooperativen Miteinanders. Ziel des Kurses ist es, diese reaktiven Muster zu erkennen und mit Geduld und Übung durch unterstützende und bewusste Aktionen zu ersetzen.

Was wir tun:

Neben der Weitergabe von Ideen und Strategien für einen authentischen, respektvollen und wertschätzenden Umgang mit Kindern und Jugendlichen bietet dieser Kurs Raum für den Austausch über Ihre Erfahrungen mit den erlernten Kommunikationsmethoden und Zeit für praktische Übungen in kleinen Gruppen.

Wir treffen uns insgesamt viermal und sprechen unter anderem über diese Themen:

  • Wie spreche ich die lösungsorientierten Teile des Gehirns an?
  • Wie fördere ich Kooperationsbereitschaft durch meine Kommunikation?
  • Problemlösestrategien – Gibt es Alternativen zu Strafe und Konsequenzen?
  • Loben – pro und contra
  • Große Gefühle wie Zorn und ihre Auswirkungen auf das Gehirn Im Januar starten zwei parallele Kurse zu folgenden Terminen:

Kurs A: Donnerstags, 19:30 – 21:30 Uhr, Start am 19.01.2017

Kurs B: Dienstags,      9:00 – 11:00 Uhr, Start am 17.01.2017

Kosten: 90 € für den gesamten Kurs oder 25 € für einzeln gebuchte Termine, Paare zahlen zusammen 150 € für den gesamten Kurs.

Anmeldung bis zum 8.01.2017 per Email an coaching@andrea-schlauersbach.de. Die Anzahl der Teilnehmer ist begrenzt.

Gerne halte ich diesen Kurs auch an Ihrer Schule oder in Ihrer Kindertagesstätte.

Halte durch Mama!

Nikolaus, 8:20 Uhr morgens und außer dem Hund und mir ist keiner mehr zu Hause. Ich spüre Ruhe, Stille und große Erschöpfung. Zum Glück habe ich vor 10 Uhr keine eigenen Termine und kann mir Zeit nehmen zum Verarbeiten und Schreiben. Was besonders ist an diesem Morgen? Die Ruhe hier zu Hause. Seit Wochen ist dies einer der wenigen Tage, an dem all unsere Kinder ohne Probleme, recht gut gelaunt und pünktlich den Weg in die Schule gefunden haben. Puh.
Was in anderen Familien ganz normal ist, ist für uns eine Besonderheit, denn unsere Kinder tun sich aus vielschichtigen und sehr unterschiedlichen Gründen schwer, regelmäßig in die Schule zu gehen. Für uns Eltern eine tägliche Gradwanderung und ein Kraftakt, der seine Spuren hinterlässt. Bisher habe ich nur eine Familie kennengelernt, die eine ähnliche Situation durchlebt hat. Bei den meisten anderen scheint der tägliche Schulbesucht einfach zur Normalität zu gehören. Viele schütteln nur den Kopf, wenn sie hören, wie es „bei uns zugeht“, zeigen Unverständnis, wie es sein kann, dass man seine Kinder nicht einfach „in die Schule schicken kann“. Einige sind heilfroh, dass es bei Ihnen „rundläuft“ und andere geben Kraft und Unterstützung, einfach, weil sie da sind und ohne zu urteilen zuhören. Niemand, der nicht in vergleichbarer Situation war, wird wirklich erfassen können, welche Belastung es für die Familie bedeutet, wenn ihre Kinder nicht „systemkonform“ sind und sich so verhalten, wie es „erwartet“ wird.
Es hat eine ganze Zeit gedauert, bis ich für mich verstanden habe, was ich möchte und was nicht. Auch ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in der Kinder zwar langsam mehr Raum und Freiheit bekamen, aber Gehorsam den Erwachsenen gegenüber und ein gewisses Unverständnis für kindliche Bedürfnisse an der Tagesordnung waren. Mich anzupassen an die Welt, die ich als Kind vorgefunden habe, und recht reibungslos zu funktionieren war meine unterbewusste Entscheidung. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, aus dem Rahmen zu fallen, außerhalb von zu Hause frech und respektlos aufzutreten oder meine Pflichten nicht zu erfüllen. Schon alleine aus Angst vor möglichen unangenehmen Konsequenzen wären das für mich keine Optionen gewesen.
Tja, und nun fallen meine Kinder „unangenehm“ auf, fügen sich nicht so, wie ich es damals gemacht habe und haben dadurch einen großen Berg Sorgen und Ängste in mir angestoßen, mit denen ich mich in den letzten Monaten und Jahren auseinander setzten musste. Mein Weltbild und besonders mein Blick auf meine Kinder und auf Kindheit im Allgemeinen haben sich vollständig geändert. Erst nach und nach ist mir klar geworden, wie sehr unser Umgang mit Kindern (und Erziehung ist nichts anderes, als die Art und Weise, wie wir mit unseren Kindern im Alltag umgehen) immer noch geprägt ist, von der Idee, dass Kinder gelenkt, gesteuert, kontrolliert, begrenzt und beobachtet werden müssten, damit sie später im Leben Erfolg haben, damit sie wertvolle Mitglieder unserer Gemeinschaft werden können, usw. Es ist in unseren Köpfen und Herzen noch nicht angekommen, dass wir schon lange keine kleinen Soldaten mehr erziehen müssen, und dass Kinder sich nicht zu Tyrannen entwickeln, nur weil wir auf ihre Bedürfnisse eingehen und sie ernstnehmen. Es braucht vermutlich noch Zeit, bis wir „Großen“ uns erinnern, wie kooperative wir als Kinder waren, einfach so, auch ohne, dass wir immer gleich Konsequenzen für mögliches Fehlverhalten oder Versagen aufgezeigt bekamen. Vielleicht braucht es auch noch Zeit, bis wir unseren Kindern aus vollem Herzen zutrauen, dass sie ihr Leben meistern werden, auch ohne unsere ständige Kontrolle und ohne diese vermutlich sogar viel leichter.
Für mich ist inzwischen ganz klar, dass viele der Grundannahmen, die im Umgang mit Kindern noch immer fest in unseren Köpfen verankert sind, mehr Schaden als Nutzen nach sich ziehen. Aus meiner Sicht sind Kinder von Natur aus hoch kooperativ, wollen sich in ihre Familie und jede andere Gemeinschaft, der sie angehören, einbringen, ihren Teil zum Gelingen beitragen und nützlich sein. Wie schnell fangen wir Erwachsene an, ihnen das abzugewöhnen, weil es schneller geht, wenn wir es selber machen, weil wir mehr Erfahrung haben, weil wir es besser können, weil etwas kaputt gehen könnte, wenn das Kind unvorsichtig ist. Wie selten beziehen wir die Kinder wirklich auf Augenhöhe mit ein und bitten um ihre Unterstützung oder gar Meinung. Wie häufig glauben wir als Eltern, Erzieher und Lehrer zu wissen, was für dieses Kind das Beste ist, ohne mit dem betroffenen Kind überhaupt gesprochen zu haben und ohne seine Situation auch nur im Ansatz zu verstehen. Nur weil wir älter und erfahrener sind, heißt das nicht, dass wir es besser wissen, wir haben nur mehr Überblick. Und den sollten wir nutzen, um unsere Kinder liebevoll zu begleiten, wenn sie ihre eigenen Erfahrungen im Leben machen und für sich herausfinden, wer sie sind und welchen Weg sie einschlagen wollen. Sie werden so oder so versuchen, es uns recht zu machen, denn alle Kinder lieben ihre Eltern und sind ihnen gegenüber sehr loyal. Unseren Kindern vertrauensvoll den Rücken zu stärken und ihnen hilfsbereit auch dann zur Seite zu stehen, wenn wir es natürlich besser wussten, ist eine wichtige Aufgabe von uns Eltern. Unser Vertrauen in unsere Kinder macht sie stark. Und wenn wir sie sein lassen, wer immer sie sein wollen, dann können sie sich frei entfalten.
9:15 Uhr, immer noch Ruhe. Ich muss mich gerade wieder einmal frei machen von Selbstvorwürfen, denn natürlich wäre es für meine Kinder vermutlich leichter gewesen, hätte ich schon vor 16 Jahren so über Kinder und Erziehung gedacht. Vielleicht wäre dann auch ihre schulische Situation nicht so schwierig geworden, weil ich ihnen von Anfang an mehr Vertrauen entgegengebracht hätte. Aber genau anders herum wir wohl ein Schuh draus. Ohne meine Kinder und all die massiven Hindernisse, auf die ich gemeinsam mit ihnen in den letzten Jahren gestoßen bin, wäre ich wohl heute nicht die, die ich bin. Meine Kinder haben meine Welt verändert, innerlich wie äußerlich. Und so traue ich ihnen und uns zu, dass wir den eingeschlagenen Weg gemeinsam gut weitergehen und sie, vorerst noch mit uns Eltern gemeinsam, gute Lösungen für ihr Leben finden werden.
In der Zwischenzeit halte ich durch, kümmere mich um mich und meine Familie, damit wir aushalten und verändern können, was uns im Alltag begegnet und genieße die Ruhe an diesen Tagen, die einfach mal „rund laufen“.